Zu schön für die Schublade: Schweizer Panorama-Juwelen

· by Monika Kriemler Fritsche · in Campus, History

Beim Umzug von Kartenmaterial aus der ehemaligen Institutsbibliothek des GIUZ in die Universitäts­­bibliothek sind uns einige wunderschöne Panoramen aus dem 19. und 20. Jahrhundert aufgefallen. Sie vereinen kartographisches Wissen mit künstlerischer Ästhetik und zeigen den historischen Blick auf Landschaft und Raum. Eine kleine Ausstellung – vor Ort und digital – stellt sie nun ins Rampenlicht.

Ein Panorama, aus den altgriechischen Worten pan (alles) und horama (Sicht) zusammengesetzt, ist eine perspektivische Darstellung von Landschaften oder Ereignissen mit einem besonders weiten Gesichtsfeld. Ein Panorama verbindet kartographisches Wissen mit künstlerischer Ästhetik.

Panoramen decken Bildwinkel von 180° oder sogar 360° ab, indem sie mehrere Einzelbilder zu einem Gesamtbild zusammen reihen. In der Fotografie verwendet man spezielle Kameratechniken oder digitale Bildbearbeitung, um mehrere Einzelbilder zu einem umfassenden Bild zusammenzufügen.

Panoramen dokumentieren die Landschaft, wobei der Fokus in den Alpen auf der Benennung von Berggipfeln und Gletschern liegt. Die in der Ausstellung porträtierten Panoramazeichner waren von Beruf Gelehrte, Kartographen, Topographen, Ingenieure und Künstler – Frauen waren damals in diesem Berufsfeld nicht vertreten. Ihre Aufgabe bestand darin, die komplexe Landschaft verständlich zu visualisieren.

Panoramen sind zweifelsohne wertvolle historische Zeitdokumente, die Landschafts­veränderungen in eindrucksvoller Weise dokumentieren.

Ober Theodul Gletscher aus dem Panorama von Monte Rosa (ca. 1880). Imfeld, Xaver: Panorama vom Monte Rosa. Zentralbibliothek Zürich, S Wls Monte Rosa IV 5, https://doi.org/10.3931/e-rara-31815, https://doi.org/10.3931/e-rara-21462
Ober Theodul Gletscher gut 140 Jahre später, im Jahr 2023: deutlicher Rückgang der Gletschermasse. Bild: Linda Bluemel |https://hikingthealps.com/zermatt-tagesausflug/
Die kleine Ausstellung in der Universitätsbibliothek Naturwissenschaften im J-Stock portraitiert die einzelnen Zeichner und informiert mit spannenden Hintergrundinformationen zu kartographischem Wissen (bis 15. Juni 2025).

Eine Variante der Ausstellung ist auch digital verfügbar.

Zum Patent angemeldet

1787 meldete der Ire Robert Barker (1739–1806) ein Patent an, das umschrieben wurde als «vollständiger Blick auf eine Landschaft oder eine Situation, wie sie vor dem Beobachter erscheint, wenn er sich einmal ganz herumdreht» («an entire view of any country or situation, as it appears to an observer turning quite round»). Damit wurde erstmals ein Kunstobjekt in gleicher Weise wie eine technische Erfindung patentiert.

Als «artistische Beilagen» in den Jahrbüchern des SAC

Eine bedeutende Rolle bei der Entwicklung des Panoramas in der Schweiz spielte der Schweizerische Alpenclub (SAC), denn er engagierte sich seit seiner Gründung 1863 zusammen mit den Sektionen intensiv für die Erschliessung und Erforschung der Alpen. Er gab zahlreiche Panoramen in Auftrag, die als «artistische Beilagen» den Jahrbüchern des Clubs beigelegt wurden (vgl. Hauri, Roger: Panoramen und Karten des Schweizer Alpen-Club : die «artistischen Beilagen» von 1864 bis 1923). Unter der Mitwirkung des SAC wurden insgesamt über 200 Panoramen veröffentlicht.

Der herausfordernde Alltag eines Panoramazeichners

Die Fertigstellung eines Panoramas war eine anspruchsvolle Aufgabe: Ausdauer war gefragt, ebenso körperliche Fitness. Die Arbeit war wetterabhängig und liess sich kaum im Voraus planen – eine Parallele zur Feldarbeit drängt sich auf. Der Schweizer Geologe und Wissenschaftler Albert Heim schreibt über seinen Aufenthalt auf dem Säntisgipfel: «Oft konnte ich nur stückweise durch Nebellücken zeichnen. In den ersten Tagen November war ich zu etwa 2/3 vorangerückt. Wir waren in das neue Gasthäuschen umgezogen. Da waren eines Morgens Fensterläden und Türe eingeschneit und eingefroren. Es bedurfte langer Arbeit, bis wir uns befreien konnten. Günstige Witterung war für die nächsten Tage nicht zu erwarten. Der Winter war eingebrochen. Der Schnee fiel in Masse. Wir packten zusammen und flohen talwärts.» (Quelle: Begleitwort zum Panorama des Säntis)

Aber Heim schreibt auch: «Sich in die herrlichen Bergformen versenken, ihre Anatomie herauslesen, ihren Charakter erfassen, sie in ihren Eigentümlichkeiten und Zusammenhängen mit einfachen, klaren Strichen darstellen, ihre Beleuchtungen beobachten, den einen Tag die Erscheinungen des Alpenglühens geniessen, den andern Nebelbilder mit komischen Schatten und farbigem Ring verfolgen: das alles war Arbeit und Lust.» Diese Kombination von Beschwerlichkeit mit Freude und Zufriedenheit spiegelt sich in Bildern wider, die den Standort des Zeichners in geradezu idyllischer Weise darstellen.

Alltag eines Panoramazeichners in Idyllischer Landschaft. Heim, Albert: Die Alpen und ihr Vorland. ETH-Bibliothek Zürich, Rar K 330, https://doi.org/10.3931/e-rara-22057 (https://www.e-rara.ch/zut/content/zoom/6821075)

Die Fotografie übernimmt

Mit dem Aufkommen der Fotografie wurde die Panoramazeichnung als Medium zur wirklichkeits­getreuen Darstellung zunehmend verdrängt. Fotografien konnten Landschaften objektiver, schneller und detailreicher festhalten als es mit der Handzeichnung möglich war. Dadurch verloren viele Panoramazeichner ihre bisherige Bedeutung, und ganze Berufszweige im künstlerischen Bereich wurden durch die neue Technik überflüssig.

Foto-Panorama vom Niesen aus.
Moeglé, Jean: Niesen-Panorama. (ca. 1890). ETH-Bibliothek Zürich, Bildarchiv / Ans_15352, http://doi.org/10.3932/ethz-a-001527953)

Digitale Geodienste heute: detailliert und jederzeit verfügbar

Moderne Geodienste wie Google Earth und Google Maps bieten heute hochaufgelöste, und ständig aktualisierte Satelliten- und Luftbilder. Sie erlauben einen objektiven, umfassenden Überblick über Landschaften, Städte und Regionen. Mit Funktionen wie Street View und 360°-Panorama­aufnahmen kann man virtuell durch Strassen gehen oder sich an jedem beliebigen Punkt umsehen – ein Grad an Realismus und Aktualität, den klassische Panoramen allein nicht bieten können. Diese Dienste sind für Navigation, Planung, Forschung und Bildung unverzichtbar geworden.

Dennoch haben klassische Panoramen ihren Wert nicht verloren. Als künstlerische, historische und immersive Zeitdokumente besitzen sie weiterhin einen hohen Wert. Ein Nebeneinander von digitalen Geodiensten und Panoramen ist wünschenswert und bereichernd, da sie sich in ihren jeweiligen Stärken sehr gut ergänzen.

Hier geht’s zur digitalen Ausstellung

Monika Kriemler Fritsche, Liaison Librarian Geography

1 Reaktionen

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert