Die vielfältigen Werte der Natur

· by Roger Keller · in Research, Sustainability

Wie nehmen wir die Natur wahr? Welche Bedeutung hat sie für uns – persönlich, gesellschaftlich und wirtschaftlich? Und wie können wir ihre Werte und Leistungen langfristig sichern? Diesen Fragen ist das mehrjährige Forschungsprojekt ValPar.CH nachgegangen. Rund 30 Forschende aus fünf Hochschulen haben die Werte und Leistungen der Natur in der Schweiz aus verschiedensten Sichtweisen untersucht, unter ihnen mehrere aus dem Geographischen Institut.

Die Bevölkerung in der Schweiz hat eine enge Beziehung zur Natur. Diese baut auf persönlichen Erlebnissen und Erinnerungen auf, aber auch auf historischen Ereignissen, lokalen Bräuchen und dem Bedürfniss nach Erholung, Ruhe und Sport. Das zeigen die Ergebnisse von ValPar.CH deutlich.

Doch Klimawandel und Landnutzungsänderungen werden in den kommenden Jahrzehnten offensichtliche Spuren hinterlassen: Dazu gehören veränderte Niederschlagsmuster, zunehmende Extremereignisse wie Hochwasser oder Hitzewellen. Damit verändert sich die uns vertraute Landschaft.

Fünf zentrale Empfehlungen für Praxis und Politik

Auf Basis unserer inter- und transdisziplinären Forschung haben wir im Synthesebericht fünf zentrale Empfehlungen formuliert.

  • Dynamik im Blick behalten: Die Planung muss die Dynamik des Klima- und Landnutzungswandels berücksichtigen, da diese Veränderungen Natur und Landschaft nachhaltig prägen werden.
  • Gesellschaft und Wirtschaft einbeziehen: Der langfristige Erhalt von Lebensräumen gelingt nur, wenn gesellschaftliche und ökonomische Sichtweisen in Entscheidungsprozesse einbezogen werden.
  • Vielfalt der Werte kommunizieren: Kommunikation und Bildung zu Natur und Landschaft sollen sich an verschiedenen Wertekategorien orientieren, um Verständnis und Akzeptanz zu fördern.
  • Regionale Verantwortung stärken: Regionen kennen ihre landschaftlichen Eigenheiten und ihre Akteur:innen am besten. Ihnen soll mehr Verantwortung für die Planung, Konkretisierung und Pflege von Natur und Landschaft übertragen werden.
  • Nachhaltige Umsetzung fördern: Ein breit angelegtes Programm soll sicherstellen, dass Ökosysteme langfristig funktionsfähig bleiben.

Nächster Schritt: Handlungsleitfäden für Kantone und Gemeinden

Aus diesen Empfehlungen entwickeln wir nun praxisorientierte Handlungsleitfäden für Kantone, Pärke und Gemeinden. Mit konkreten Beispielen zeigen wir auf, wie sich die vielfältigen Werte der Natur längerfristig sichern lassen. 

«Herausfordernde und bereichernde Zusammenarbeit»

Das GIUZ war federführend in der Koordination des Projekts und trug wesentlich zu den Forschungsergebnissen bei. Hier geben beteiligte Forschende des GIUZ Einblick in ihre Arbeit und erzählen, was sie besonders zur Mitarbeit an ValPar.CH motiviert hat.

«Als Projektkoordinator war ich für die Zusammenarbeit im rund 30-köpfigen, Forschungsteam aus fünf Hochschulen sowie den Austausch mit den vier Untersuchungsregionen und den Akteur:innen aus Behörden und Praxis verantwortlich. Ich freue mich sehr, dass es uns gelungen ist, wirklich praxisrelevantes Wissen zu erarbeiten. Die inter- und transdisziplinäre Zusammenarbeit – über Sprach- und Fachgrenzen hinweg – und das direkte Gespräch mit Menschen mit unterschiedlichen Interessen und Perspektiven waren für mich fachlich wie persönlich äusserst bereichernd.»
Dr. Roger Keller, Abteilung Space, Nature and Society

«Ich durfte von der ersten Projektidee bis zum Abschluss mitarbeiten – eine enorm lehrreiche Erfahrung. Besonders beeindruckt hat mich das Engagement des Forschungsteams sowie die breite Unterstützung und grosse Bereitschaft zur interdisziplinären Zusammenarbeit unter meinen Kolleg:innen. Neue Ideen konnten entstehen, und durch kritische Fragen aus anderen Disziplinen sowie von unseren Praxispartner:innen erhielt ich wertvolle Aussensichten auf meine eigene Forschung. Das hat meine Überzeugung bestärkt, dass sich aktuelle sozio-ökologische Herausforderungen nur in inter- und transdisziplinären Settings angehen lassen – auch wenn das oft herausfordernd ist.»
Dr. Annina Michel, Abteilung Space, Nature and Society

«Für ValPar.CH analysierte ich die Geosemantik der Schweizer Naturpärke. Das öffnete mir die Augen dafür, wie das Schweizer Parksystem funktioniert, nicht nur durch computerbasierte Arbeit, sondern auch durch Feldforschung und Begegnungen mit den Menschen, die in den Pärken tätig sind. Die Zusammenarbeit mit Personen unterschiedlicher Erfahrungsstufen, Fachrichtungen und Institutionen war für mich eine äusserst wertvolle Erfahrung, die nur schwer wiederholbar ist.»
Dr. Inhye Kong, Abteilung Geocomputation

«Als Fernerkundler fasziniert mich der Blick von oben auf die Erdoberfläche. Landschaften, ihre zeitlichen Veränderungen und die Wechselwirkungen des Menschen mit seiner Umwelt lassen sich aus dieser Perspektive in einem breiteren Kontext und ganzheitlicher erfassen. Wir haben satelliten- und flugzeuggestützte Erdbeobachtungs­­daten genutzt und neue Methoden entwickelt, um den Zustand und die Veränderungen der Landschaft qualitativ und quantitativ zu beschreiben. Besonders bereichernd war für mich der interdisziplinäre Austausch mit Kolleg:innen, bei dem es darum ging, eine gemeinsame «Sprache» für die Kommunikation unserer Ergebnisse zu finden.»
Dr. Mathias Kneubühler, Abteilung Remote Sensing Spectroscopy

«ValPar.CH war von Beginn an interdisziplinär konzipiert, sodass wir wissenschaftliche Zugänge und Methoden auf Augenhöhe diskutieren konnten. Auch wenn Konzepte, Theorien und Methoden nicht immer auf Anhieb ineinandergriffen, konnten wir Diskrepanzen rasch erkennen und Lösungen entwickeln – oft entstanden so Erkenntnisse, die einzelne Methoden allein nicht geliefert hätten. Ich bin überzeugt, dass dies und der frühe und konsequente Dialog mit Praktiker:innen die Relevanz unserer Forschungsresultate für die Gesellschaft erhöht.»
Prof. Dr. Norman Backhaus, Abteilung Space, Nature and Society

«Die enge Zusammenarbeit mit Behörden und Praxisakteur:innen hat mir gezeigt, wie wichtig partizipative Forschung für praxisrelevante Lösungen in der Raumplanung und nachhaltigen Landschafts­entwicklung ist. In meiner jetzigen Position als Assistenzprofessorin für Integrative Landschaftsplanung an der Wageningen University profitiere ich direkt von den Erfahrungen und dem Wissen aus ValPar.CH, das sowohl wissenschaftlich spannende Ergebnisse lieferte als auch den praktischen Bezug zur Raumplanung stärkte.»
Prof. Dr. Franziska Komossa, ehemalige Postdoktorandin in der Abteilung Geocomputation

«Ich habe die Zusammenarbeit in ValPar.CH stets genossen. Wie in jedem interdisziplinären Projekt gab es Herausforderungen durch unterschiedliche Konzeptvorstellungen, doch dank guter Koordination blieb Zeit für solche wichtigen Diskussionen. Weil das Projekt viel in die Kommunikation von Ergebnissen investiert hat, bin ich zuversichtlich, dass ValPar.CH auch eine transdisziplinäre Wirkung entfalten wird – aber wir müssen auch Geduld haben. Projekte sind oft relativ kurz, und eine effektive Wirkung auf Policy-Ebene braucht Zeit.»
Prof. Dr. Ross Purves, Abteilung Geocomputation

ValPar.CH – Werte und Leistungen der Natur
Im Rahmen des «Aktionsplans Strategie Biodiversität Schweiz (AP SBS) 2017-2024» bearbeitete das interdisziplinäre Forschungsteam ValPar.CH im Auftrag des Bundesamtes für Umwelt (BAFU) das Pilotprojekt «Inwertsetzung der Ökologischen Infrastruktur in den Pärken von nationaler Bedeutung».

Roger Keller und das ValPar.CH Team

2 Reaktionen

  1. Henri Leuzinger ·

    Interessante Studie, alte Fragen neu aufgeworfen und teilweise beantwortet – allerdings ohne Bezug zu ähnlichen Studien, z.B. aus dem NFP 22, in welchem die Eigenwerte der Natur auch zur Sprache kamen, z.B. im Bericht 18: Die Natur – und damit der Boden – als Rechtssubjekt. Lesenswert!

    Reply
    1. Roger Keller ·

      Ja, die Eigenwerte der Natur beschäftigen uns nach wie vor und es gibt viele Studien dazu – u.a. auch im neuen NFP82 zu «Biodiversität und Ökosystemleistungen», welches dieses Jahr gestartet ist. Danke für den Hinweis aufs NFP22!

      Reply

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert